Erfolgsfaktor User Experience
…und die Digitalisierung
Es ist schon seit einiger Zeit allgemein bekannt, dass sich die Digitalisierung auf alle Ebenen der Kommunikation auswirkt. Immer neue Kanäle verlangen nach einem überzeugenden Auftritt und zielgruppenspezifischen Inhalten. Das fordert Unternehmen, Institutionen und deren Nutzer. Denn einer gefühlt unbegrenzten Anzahl von Apps und Websites steht eine begrenzte Menge Zeit gegenüber. Deshalb gilt es von der ersten Sekunde an zu überzeugen und Anreize für eine längere Verweildauer zu schaffen. Der entscheidende Faktor dabei ist, den Nutzer als Mensch mit Emotionen und Bedürfnissen zu begreifen und diese nicht nur anzusprechen, sondern zu befriedigen. Das kann mit einzigartigen Inhalten, einem prägnanten Design oder einer besonderen Usability geschehen. Am besten ist jedoch eine Kombination dieser Disziplinen, da das Erscheinungsbild oft direkt mit der Service- und Produktqualität in Verbindung gebracht wird. Demnach ist eine überzeugende User Experience ausschlaggebend dafür, ob Nutzer zu Kunden werden.
Die Schnelllebigkeit der einzelnen Touchpoints sorgt dafür, dass die Arbeit an keinem Kommunikationskanal jemals vollständig abgeschlossen ist. Immer neue Kanäle mit immer neuen Funktionalitäten erfordern eine permanente Weiterentwicklung und Überprüfung der User Experience. Nur so können Medienbrüche vermieden und ein konsistentes Nutzererlebnis auf gleichbleibend hohem Niveau garantiert werden.
…als Teil der Business Strategie
Diese Aspekte machen deutlich, dass sich hinter UX viel mehr als nur die Übertragung des Corporate Design und der Corporate Identity (CI/CD) auf unterschiedliche Touchpoints verbirgt. UX ist Teil der Business Strategie und unterzieht diese einem Realitätscheck. Denn eine Strategie zu entwickeln, bedeutet herauszufinden welches Alleinstellungsmerkmal das Angebot eines Unternehmens aus Sicht der Kunden besitzt. Für die User Experience werden, ausgehend von der Business Strategie, Annahmen getroffen. Anhand bestimmter Parameter, wie beispielsweise der Absprungrate oder Sitzungsdauer, lässt sich überprüfen, ob das Angebot den Kundenerwartungen entspricht. Heisst konkret: bekomme ich Reichweite, Klicks und Conversions und schaffe ich es mich vom Wettbewerb abzuheben? Die Business Strategie beschreibt demnach das Ziel eines Unternehmens und die UX stellt die Taktik, d.h. das „Wie“ der Zielerreichung dar. Ob dieses „Wie“ erfolgreich ist, lässt sich unter anderem anhand der genannten Parameter messen.
…im Benchmark
Nicht selten enthält das Briefing für ein neues Projekt den Wunsch eine „zum Wettbewerber xy“ vergleichbare Lösung umzusetzen. Doch warum ist der „Wettbewerber xy“ der Massstab und sollte er es sein? Benchmarking funktioniert nur, wenn klar festgehalten wird, welche Parameter verglichen werden sollen. Der blosse Gesamteindruck reicht dabei nicht aus, wenn - ausgehend vom Value Proposition Canvas - auch hier das Leistungsversprechen nicht den Kundenerwartungen entspricht. Für ein sinnvolles Benchmarking ist es deshalb wichtig konkrete Fragen zu formulieren: Worin möchte ich mich verbessern? Von wem kann ich lernen? Für die Antworten lohnt es sich nicht nur das eigene Marktumfeld zu betrachten, sondern einen Blick über den Tellerrand zu werfen und somit selbst zum Massstab der Branche zu werden.
Weil man mit dem Thema "Benchmarking" Bücher füllen könnte, möchten wir es für heute hier belassen. Es sei jedoch so viel gesagt: aus einem durchdachten Benchmarking, innerhalb oder ausserhalb des Marktumfelds, lassen sich sinnvolle Ansatzpunkte für eine durchdachte User Experience im Rahmen eines neuen Projekts (Relaunch), für eine bestehende Plattform oder für die Optimierung eines Produktes (UX Review) finden.
Ansatzpunkt UX Review oder: der Weg ist das Ziel
Ein UX Review kann mit einem Check-up beim Arzt verglichen werden. Beginnend mit dem Anamnesegespräch versucht der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin der Ursache für die Beschwerden auf den Grund zu gehen und diese zu beheben. Dabei gibt es bestimmte Aspekte, die immer überprüft werden und wieder andere, die nur auf Grund der Problembeschreibung untersucht werden. Analog dazu funktioniert das Konzept eines UX Review. Im Rahmen einer Analyse werden Schwachstellen identifiziert und Handlungsempfehlungen formuliert, die die „Behandlung“ aus UX Sicht darstellen. Zu den Bereichen, die dabei immer untersucht werden, gehören unter anderem:
- Mitbewerberanalyse der wichtigsten Konkurrenten
- Auswertung der Analytics Data
- Identifikation zentraler oder unbedeutender Inhalte (Content Audit)
- Überprüfung der Accessibility
- Untersuchung der Usability
- Technische Analyse (u.a. Performance, On-page SEO, Security)
- Keywordanalyse der zentralen Landingpages
- Inventarisierung und Analyse der verschiedenen Touchpoints
Darauf aufbauend werden je nach Kundensituation Schwerpunkte gelegt. Weil die User Experience sehr viele Aspekte beinhaltet, unterscheidet man in der Regel zwischen technischen (Technical Review) und nutzerzentrischen Gesichtspunkten (Usability Review). Vor allem für Weblösungen im Bereich kantonaler Institutionen spielt auch die Accessibility, d.h. die Barrierefreiheit eine grosse Rolle. Barrierefreiheit ermöglicht es allen Menschen, den digitalen Auftritt ohne Einschränkungen zu nutzen. Diese kann ebenfalls in einem gesonderten Review überprüft werden.
Warum ist ein UX Review die Lösung?
Je nach Schwerpunkt der Analyse identifizieren die Reviews Schwachstellen und definieren Handlungsempfehlungen. Somit werden mit einem UX Review Ansatzpunkte für die Optimierung einer bestehenden Lösung oder die Grundlage für eine neues Projekt, wie z.B. einen Relaunch, geschaffen. Für die identifizierten Schwachstellen werden zunächst durch den UX Experten Handlungsempfehlungen formuliert und priorisiert. So ist der Aufwand für einen klaren "Call to Action" beispielsweise sehr gering, ihr Nutzen dagegen sehr hoch (vgl. Abb. 1). Demnach lohnt es sich diese Handlungsempfehlung direkt umzusetzen.
In einem abschliessenden Workshop mit dem Websiteeigner (Kunden) entsteht eine Roadmap, die vorgibt welche Empfehlungen in welcher Reihenfolge umgesetzt werden. Die identifizierten Probleme, die erarbeiteten Lösungsvorschläge, die Priorisierung der Lösungen sowie die gemeinsam mit dem Kunden beschlossene finale Roadmap ergibt schliesslich einen Usability Report, der den finalen Output des Usability Reviews darstellt.
…und wann ist ein UX Review die Lösung?
Üblicherweise werden neue Websites gelauncht, im Laufe der Jahre nach Bedarf angepasst und kontinuierlich mit neuen Inhalten gefüttert. Zu diesem oft historisch gewachsenen Konstrukt kommen neue Kanäle, die häufig gesondert und nicht als Bestandteil der Kommunikationsstrategie betrachtet werden. Zusätzlich etablieren grosse, weltweite Plattformen neue UX Standards, die sich auch auf die Erwartungen der Nutzer auswirken. Auch im direkten Marktumfeld werden neue Massstäbe gesetzt. So kann ein einst durchdachtes UX Konzept innerhalb von ein paar Jahren nicht mehr zeitgemäss und überzeugend sein.
Mit regelmässigen UX Reviews können diese Veränderungen nicht nur analysiert werden. Sie bieten auch die Chance, die User Experience kontinuierlich zu verbessern und auf neue Inhalte, Rahmenbedingungen, Bedürfnisse und Plattformen anzupassen. So wie Softwareupdates, die eine Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit bewirken.
Wie ein UX Review konkret aussieht und warum ein Usability Review häufig den grössten Nutzen generiert? Das verraten wir im nächsten Beitrag.
vgl. Porter, M. (1996). What is strategy? Harvard Business Review 74
Über die Autorin: Nadine Engler, UI/ UX Designer
Als studierte Mathematikerin ist es für Nadine ein Leichtes komplexe Aufgaben in ihre Bestandteile zu zerlegen. Ihre Leidenschaft für den Beruf als UI/UX Designerin resultiert aus der Kombination dieser analytischen Denkweise und Kreativität.. Und weil sich Inspiration überall finden lässt, verbringt sie ihre Freizeit entweder auf dem Motorrad oder unter Wasser.