Die Psychologie hinter Online Entscheidungen. Wie wird unser Verhalten im Internet gesteuert?
Behavior Patterns sind wiederkehrende Verhaltensmuster, die unser Handeln beeinflussen. Sie sind Grundlage für Entscheidungen und Aktionen, die wir oft intuitiv treffen. Ob im E-Commerce oder im Alltag, diese Muster prägen unsere Reaktionen und stellen Möglichkeiten zur gezielten Beeinflussung dar.
Nutzerführung vs. Manipulation
Die Nutzerführung strebt danach, Nutzer:innen auf eine einfache und effektive Weise zu lenken, um ihr Ziel zu erreichen. Ein benutzerzentrierter Ansatz oder ein Konzept, das den Nutzer in den Mittelpunkt stellt, zeugt somit zunächst einmal von altruistischer Absicht.
Wenn jedoch Manipulation im Spiel ist, geht es darum, die Nutzer:innen zügig und gezielt zu meinem eigenen Ziel bzw. dem des Website-Betreibers zu führen. Denn oft haben Website-Betreiber:innen ein bestimmtes Ziel vor Augen und häufig ist dies von kommerzieller Natur.
Die Übergänge zwischen diesen Ansätzen sind fliessend und die Grenzen sind unscharf. In Situationen, in denen die Absichten des Anbieters und die der Nutzer:innen in Einklang stehen, kann eine Win-Win-Situation entstehen.
Warum aber lassen wir uns gerne anleiten oder sogar manipulieren? Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, effizient zu arbeiten. Da rationales Abwägen eine beträchtliche Menge an Energie erfordert, treffen wir oft Entscheidungen auf intuitiver Basis. Dies impliziert jedoch nicht, dass unsere unbewussten Entscheidungen willkürlich zustande kommen. Tatsächlich entstehen sie aus bestimmten Verhaltensmustern – den Behavior Pattern.
Behavior Pattern und Dark Pattern
Es existiert eine Vielzahl von Behavior Pattern, die angewandt werden, um die Benutzerführung und/oder die Conversion zu optimieren. Ebenso auch von deren unseriösen und unethischen Versionen, den «Dark Pattern».
Übrigens ist es im Interesse des Gesetzgebers, uns vor den manipulativen «Dark Pattern» zu schützen. Eine klare Definition steht gegenwärtig noch aus. Dennoch gibt es diverse Varianten von «Dark Patterns», die potenziell unter das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) oder das Datenschutzgesetz (DSG) fallen könnten. Besonders dann, wenn fehlerhafte Informationen zu einem Kauf verleiten.
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20223190
In den folgenden Abschnitten werden einige Beispiele für bekannte «Behavior Pattern» aufgezeigt. Diese könnten Ihnen vertraut sein, selbst wenn Ihnen möglicherweise nicht immer bewusst war, dass Sie beeinflusst wurden.
Angst vor Güterknappheit
Die Angst vor Güterknappheit ist eine emotionale Reaktion, die auf die Sorge vor begrenzten Ressourcen und mangelnder Verfügbarkeit abzielt.
Durch gezielte Verhaltensmuster wie begrenzte Zeitangebote, limitierte Stückzahlen oder «nur noch wenige auf Lager» -Benachrichtigungen wird das Gefühl erzeugt, dass das Produkt knapp ist oder bald nicht mehr verfügbar sein wird. Dies kann dazu führen, dass Kunden spontane Kaufentscheidungen treffen, um die Angst vor einer verpassten Gelegenheit zu vermeiden.
Psychologisch betrachtet reagieren Kunden auf solche Verhaltensmuster, da sie unbewusst von der Angst vor einer vermeintlichen Güterknappheit beeinflusst werden.
Social Proof
Menschen neigen dazu, das Verhalten und die Entscheidungen anderer als Anhaltspunkt für ihre eigenen Handlungen zu nutzen. Dieser Effekt wird genutzt, indem Kundenbewertungen und Testimonials von anderen Nutzer:innen präsentiert werden.
Wenn Nutzer:innen sehen, dass Andere positive Erfahrungen gemacht haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich ebenfalls für den Kauf entscheiden. «Social Proof» wird verwendet, um Unsicherheit zu reduzieren und eine bessere Entscheidungsbasis zu schaffen. Man verlässt sich dabei auf die kollektiven Erfahrungen anderer, um die eigene Wahl zu treffen.
«Social Proof» kann in vielen Fällen nützlich sein, um Nutzer:innen bei ihren Entscheidungen zu helfen, aber es kann auch zu einem «Dark Pattern» werden wenn beispielsweise Bewertungen gefälscht oder schlechte Bewertungen gelöscht wurden.
Endowed Progress Effekt
Unvollendete Aufgaben wecken bei Nutzer:innen den Wunsch, diese abzuschliessen. Menschen verstärken ihre Bemühungen, wenn sie bereits Zeit investiert und einen gewissen Fortschritt erreicht haben.
Zum Beispiel steigert das Schenken anfänglicher Punkte in Bonusprogrammen die Kundenloyalität. Im Online-Shopping kann dieser Effekt im Bezahlprozess genutzt werden – ein Fortschrittsbalken nach dem ersten Schritt motiviert zum Abschluss.
Auch bei verschiedenen Apps wird ganz gezielt das Einfordern von User-Daten oder E-Mail-Adresse erst am Ende des gesamten Prozesses abgefragt, da Nutzer:innen dann eher gewillt sind ihre Daten preis zu geben, um den Prozess abzuschliessen.
Authority Effekt
Nutzer:innen tendieren dazu, Meinungen, von als autoritär oder kompetent wahrgenommenen Personen zu akzeptieren. Dieser Effekt basiert auf den Wunsch, von der Erfahrung oder dem Wissen anderer zu lernen.
Im E-Commerce-Bereich neigen Kunden dazu, Anweisungen oder Empfehlungen von Experten oder etablierten Marken leichter anzunehmen. Diese Tendenz kann von Unternehmen genutzt werden, um Vertrauen zu schaffen und Autorität in ihrer Branche zu zeigen
Es kann jedoch dazu führen, dass Menschen kritiklos Anweisungen befolgen, ohne diese zu hinterfragen. Dieser Effekt kann in verschiedenen Bereichen auftreten, vor allem aber in Politik Wissenschaft und Medizin.
Reziprozitätsregel
Die Reziprozitätsregel besagt, dass Menschen dazu tendieren, freundliche Handlungen mit ähnlicher Freundlichkeit zu erwidern. Anders ausgedrückt: Wenn jemand uns eine Gefälligkeit erweist, fühlen wir uns verpflichtet, etwas Gleichwertiges zurückzugeben.
Dieses Prinzip beruht auf dem Grundgedanken der sozialen Balance und des Zusammenhalts. Die Reziprozitätsregel kann in unterschiedlichen Zusammenhängen auftreten, sei es in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Geschäftsleben oder auch im E-Commerce.
Im E-Commerce-Bereich wird diese Regel genutzt werden, um die Kundenbindung und den Verkauf zu fördern. Zum Beispiel werden kostenlose Proben, exklusive Angebote oder informative Inhalte angeboten, um positive Gefühle bei den Nutzer:innen auszulösen. Dies führt dazu, dass die Nutzer:innen eher geneigt sind etwas zurückzugeben, sei es durch einen Kauf, das Teilen von positiven Bewertungen oder das Weiterempfehlen an andere.
Paradox of Choice
Das «Paradox of Choice» bezieht sich auf die scheinbar widersprüchliche Beobachtung, dass eine grosse Auswahl häufig zu einem Gefühl der Unsicherheit führen kann. Obwohl eine größere Auswahl theoretisch mehr Freiheit bietet, können sich Menschen inmitten einer Fülle von Optionen überfordert fühlen und Schwierigkeiten haben, eine Wahl zu treffen, was letztendlich zu Unzufriedenheit führen kann. Dieser Effekt ist in Online-Shops nochmals stärker als in einem Laden, da man sich nicht eben durch einen Mitarbeiter beraten lassen kann.
Eine Reduzierung des Angebots ist nicht immer erforderlich, allerdings hilft es den Nutzer:innen Orientierungs- und Entscheidungshilfe zu bieten z.B durch eine Kategorisierung der Produkte oder durch Empfehlungen aufgrund seiner bisherigen Einkäufe
Decoy Effect
Der Decoy-Effekt wird oft genutzt, um die Wahrnehmung von Menschen in Richtung einer gewünschten Wahl zu lenken. Dies geschieht, indem eine dritte Option, der «Decoy» oder «Köder», hinzugefügt wird, die in Bezug auf Preis oder Leistung weniger attraktiv ist als eine der beiden anderen Optionen.
Wenn also Kund:innen vor der Wahl zwischen der kostengünstigeren Option A und der teureren Option B stehen, neigen sie oft dazu, die preiswertere Alternative zu wählen. Wenn allerdings eine dritte Option C, ins Spiel kommt, die deutlich teurer ist, kann dies die Entscheidung für Option B begünstigen. Option C wird hierbei als weniger attraktiver «Köder» eingesetzt, dessen Preis oder Leistung stark von Option B abweicht. Dadurch erscheint Option B nun als attraktive Wahl.
Anchoring
Der Anker-Effekt ist ein psychologisches Phänomen, bei dem eine zuerst präsentierte Information als Referenz für nachfolgende Entscheidungen dient. Menschen neigen dazu, sich stark an diesem «Anker» zu orientieren, selbst wenn er eigentlich irrelevant für die aktuelle Situation ist. Dieser Effekt beeinflusst unsere Wahrnehmung von quantitativen Informationen.
Der Anker-Effekt wird häufig verwendet, um die Wahrnehmung von Preisen und Angeboten und zu steuern. Verkäufer:innen könnten beispielsweise zunächst einen günstigen Preis zeigen, um dann den tatsächlichen Preis attraktiver erscheinen zu lassen.
Fazit
Wie bereits eingangs erwähnt können Behavior Pattern intuitive Entscheidungen und damit auch die Nutzer:innen unterstützen. Ist die Beeinflussung jedoch rein manipulativ und kein Gewinn für die Nutzer:innen, bleibt das nicht ohne Folgen.
Jeder Versuch schädlicher Manipulation wird durch eine negative Resonanz nach dem Kauf bestraft. Dies kann zu erhöhten Rücksendungen oder Stornierungen sowie zu einer gestörten Kundenbindung führen. In den schlimmsten Fällen kann sogar die Kundenbeziehung aufgrund mangelndem Vertrauen gegeüber dem Anbieter komplett beendet werden.
Sie sollten sich daher gut überlegen welche Massnahmen Sie bei Ihrem Angebot nutzen möchten. Für diejenigen, die langfristige, gewinnbringende Kundenbindungen anstreben, empfiehlt es sich, den Prozess der Entscheidungsfindung so zu gestalten, dass Nutzer lediglich sanft in Richtung ihrer Bedürfnisse gelenkt werden.
Bei Fragen dazu oder einer Beratung zu einem User Experience Review Ihrer Webseite können Sie uns gerne kontaktieren.
Bei Snowflake verfolgen wir einen nutzerzentrierten Ansatz und setzen auf positive Erfahrungen in der gesamten User Journey denn:
Nur wer bekommt was er will, der bleibt, wo er ist.
Über die Autorin: Nadine Engler, UX/UI Designer
Als studierte Mathematikerin ist es für Nadine ein Leichtes komplexe Aufgaben in ihre Bestandteile zu zerlegen. Ihre Leidenschaft für den Beruf als UI/UX Designerin resultiert aus der Kombination dieser analytischen Denkweise und Kreativität. Und weil sich Inspiration überall finden lässt, verbringt sie ihre Freizeit entweder auf dem Motorrad oder unter Wasser.